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ISEK ohne Klimaschutzvorgaben verabschiedet, zwei „Aktuelle Stunden“, zu E-Scootern sowie zur Godshorner KiTa Blaumenhof und eine ungewöhnliche persönliche Erklärung

Ratsvorsitzender Friederichs schien es schon geahnt zu haben. Zu Beginn der Sitzung gab er bekannt, dass angesichts der 26 Tagesordnungspunkte – ohne die zahlreichen Unterpunkte – er schon vorsorglich für den nächsten Donnerstag in Absprache mit der Verwaltung eine Fortsetzung der Ratssitzung eingeplant habe. Und er sollte Recht behalten. Nach vier behandelten längeren Tagesordnungspunkten wurde die vorher eingeplante Zeitgrenze von 21:30 Uhr schon erreicht.

Nach den Sitzungsformalien ging es los mit einer von Ratsherrn Eilers (WG-AfL) beantragten persönlichen Erklärung, die gemäß der Geschäftsordnung des Rates zuerst behandelt werden muss. Zudem muss sich die persönliche Erklärung inhaltlich auf ein Thema einer vorangegangenen Ratssitzung beziehen. Herr Eilers beschwerte sich in seiner Erklärung verbittert, dass ich in meinem Jubiläums-Ratssplitter Nr. 50 die Zeit seiner Redebeiträge als viel zu lang – noch länger als die von Herrn Dr. Mommsen- bezeichnet und ihm Pöbelei vorgeworfen hätte. Für den Vorwurf der Pöbelei im Ratssplitter 50 entschuldige ich mich an dieser Stelle, aber für mein gefühltes Zeitempfinden bei den Ausführungen von Herrn Eilers kann ich nichts. Das seien alles Lügen, führte er weiter aus und dazu muss ich sagen, dass ich doch den öffentlichen Vorwurf einer Lüge mindestens für Pöbelei halte. Und Herr Eilers hat Glück, dass ich solch strafrechtliches Verhalten nicht anzeige, sondern mich über den Werbeblock für meinen Ratssplitter freue.

Auch sei es aus Sicht von Herrn Eilers doch ungeheuerlich, dass Bürgermeister Heuer meinen Ratssplitter auf Facebook geliked habe. Er habe damit gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Der Fraktionsvorsitzende Dr. Köhler, den ich ebenfalls im Ratssplitter Nr. 50 erwähnt hatte, meinte an späterer Stelle der Ratssitzung, die Ausführungen von Herrn Eilers bei seiner persönlichen Erklärung seien „unerträglich“ gewesen.

Nun zur „Aktuellen Stunde“ – beziehungsweise derer zwei. Unserer Geschäftsordnung fehlt der Hinweis, dass es nur eine Aktuelle Stunde geben sollte, so wie das in vielen anderen Kommunen geregelt ist. In jeweils 45 Minuten wurden zunächst die von der SPD beantragte Aussprache zu E-Scootern und anschließend Vorgänge zur KiTa Blaumenhof – beantragt von der BBL – behandelt.

„E-Scooter – Segen oder Fluch“, so führte Matthias Gleichmann von der SPD in das Thema ein. „E-Scooter kannibalisieren den Radverkehr und hätten eine fragwürdige Ökobilanz, da sie meist schon nach 6 Monaten verschrottet würden. Die SPD bereite einen Satzungsvorschlag vor, unter anderem, damit die E-Scooter nach kurzer Fahrt nicht überall hingeworfen werden

Über alle Parteigrenzen waren wir uns einig, dass in dieser Hinsicht etwas getan werden muss. Dirk Musfeldt von Bündnis 90/Die Grünen nannte noch einen wesentlichen Aspekt. E-Scooter seien jetzt schon platzmäßige Konkurrenten für die unzulängliche Fahrradinfrastruktur in Langenhagen. „Mehr Platz fürs Rad“ sei daher die richtige Perspektive. Recht hat er. Als ambitionierte Radfahrerin, der mensch keine besonderen Sympathien für E-Scooter nachsagen kann, verwies ich auf eine aktuelle Studie der Deutschen Energieagentur und der Uni Bochum nach der im Laufe der letzten Jahre sich einiges bei den E-Scootern verbessert habe; aber da ist noch Luft nach oben. So könnten sie mehr an den Haltestellen des ÖPNV genutzt werden, feste Ladesäulen könnten die „Wegwerfmentalität nach Gebrauch“ erheblich eindämmen. Dort, wo sie nur „aus Lust an der motorisierten Bewegung“ genutzt werden, verbessern sie natürlich nicht die Umweltbilanz – und auch dann nicht, wenn mensch sie einfach überall liegen lässt. Aber das liegt eben in der Verantwortung der Nutzer*innen.

Bürgermeister Heuer verwies auf die eingeschränkte Handlungsbefugnis der Kommunen wegen der entsprechenden Bundes- und Landesregelungen zur E-Mobilität. Er sehe aber Möglichkeiten, die der Städtetag in einer Handlungsempfehlung vorgestellt habe, den E-Scooter-Verkehr mit definierten Parkzonen in einer kommunalen Satzung deutlich besser zu regulieren. Das sollten wir gemeinsam anhand des zugesagten Satzungsvorschlages der SPD angehen.

Aktuelle Stunde Nr. 2: In den letzten Wahlperioden wurde die kommunale Infrastruktur (Schulen, innerörtlicher Verkehr und mehr) leider sehr vernachlässigt. Auch KiTa-Plätze fehlen nach wie vor. 2018 bot ein Privatinvestor der Stadt an, kurzfristig 107 zusätzliche KiTa-Plätze in Godshorn bereitzustellen, wenn ihn die Stadt dabei unterstütze. Dazu hatte die BBL eine aktuelle Stunde beantragt. Ich halte eine Auseinandersetzung zu diesem Zeitpunkt für verfrüht, weil gerade einvernehmlich beschlossen wurde, das Rechnungsprüfungsamt zu bitten, sich den Vorgang anzusehen und zu bewerten. Vorverurteilungen sind da fehl am Platz. Aus meiner Sicht, der Privatisierungen von kommunalen Aufgaben grundsätzlich ein Dorn im Auge sind, würde mich besonders interessieren, ob die Errichtung und der Betrieb einer kommunalen KiTa nicht insgesamt – auch finanziell – besser gewesen wäre. Aus den Vorgängen um die KiTa Blaumenhof jedenfalls sollten wir alle lernen.

Und nun zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept, kurz ISEK und seiner Fortschreibung bis 2030. Da hatte es in den letzten Monaten deutliche Aufregungen sowohl in den Ratsgremien, den Bürgerfragestunden oder auch in den „Sozialen Medien“ gegeben. Zwar hatte es im letzten Jahr Gesprächsrunden mit Anwohner*innen in den verschiedenen Ortsteilen zum ISEK gegeben, die aber pandemiebedingt nur spärlich besucht wurden. Insbesondere Bürger*innen aus Kaltenweide hatten sich dagegen ausgesprochen, dass das Weiherfeld-Ost kurzfristig bebaut werden soll, wie es der Gutachter entgegen der Positionierung der Einwohner*innen aus Kaltenweide vorgeschlagen hatte. Auf dem Gelände des ehemaligen NP-Marktes sollte ein mehrgeschossiges Gebäude mit bis zu 30 Wohneinheiten errichtet werden. Die politisch sehr aufgeheizte Stimmung hat sich in der letzten Zeit aber deutlich entspannt, da auf dem Stadtplanungs-, Bau- und Umweltausschuss die verschiedenen Anträge aus dem ISEK von etlichen Anwohner*innen insbesondere aus Kaltenweide intensiv kommentiert wurden und die Mehrheit im Ausschuss die Anregungen zum Teil aufnahm. Auf der gestrigen Ratssitzung sprach u.a. für die „Bürger für Kaltenweide“ Rabea Lachkham, die ihrerseits die späte Einsicht des Rates lobte, auf dem NP-Gelände maximal 15 Wohnungen zu errichten, aber insbesondere bei SPD und CDU eine fehlende Konkretisierung für die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen bei der ISEK-Umsetzung bemängelte.

Ich habe ausgeführt, dass der jetzige ISEK-Entwurf noch deutliche Mängel aufweist, wie den fehlenden Bezug zum Klimapaket des Rates, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, schon vor 2030 deutlich mehr für den Klimaschutz zu tun, als die Bundesregierung vorhat. Es fehlen Aussagen zur Bereitstellung einer ausreichenden Infrastruktur (ÖPNV, KiTas, Schulen, fußnahe Einkaufmöglichkeiten, ärztliche Versorgung, etc.). Naturschutz durch Verdichtung oder Brachflächenbebauung statt Bauen auf der grünen Wiese und ökologische Vorgaben für die benötigten rd. 1.700 neue bezahlbare Wohnungen muss festgeschrieben werden.

Daher hatte ich eine weitere ISEK-Beratung mit ausreichender Beteiligung der Bevölkerung zu Beginn der nächsten Kommunalwahlperiode angeregt – siehe dazu meinen Redebeitrag.

Mein Antrag erhielt leider nur 4 Stimmen. Dr. Mommsen hatte seinen eigenen Antrag, der ebenfalls eine bessere Beteiligung der Einwohner*innen und eine Berücksichtigung der Klimafolgen forderte, zugunsten unseres LINKEN Antrages zurückgezogen und bezeichnete meinen Antrag als den einzig weitreichenden – Danke dafür. Auch Ratsherr Eilers, mit dem ich nur selten einer Meinung bin, stimmte meinen ISEK-Positionen zu, bestand aber darauf, dass er in diesem Ratssplitter dafür erwähnt werden wolle. Nun, wenn es mehr nicht ist… Ziemlich neben der Spur war dagegen die Äußerung von Ratsherrn Zabel (Bündnis 90/Die Grünen), der argumentierte, das Bundesverfassungsgericht habe erst nach 2030 entscheidende Schritte im Klimaschutz gefordert. Da sollte er das Urteil noch mal lesen, denn das Gegenteil ist der Fall. Jetzt sind noch stärkere Klimaschutzmaßnahmen notwendig.

Im Detail gab es dann doch noch einige positive Konkretisierungen zum ISEK, die mich bewogen, mich bei der Endabstimmung zu enthalten statt es abzulehnen. Die max. 15 Wohnungen auf dem NP-Marktgelände in Kaltenweide werden im ISEK festgeschrieben, ebenso die erst mittelfristige mögliche Bebauung von Weiherfeld-Ost und vor allem wird die vom ISEK-Gutachter und der Verwaltung im Anhang versteckte Formulierung gestrichen, dass das ISEK verbindlich für folgende Flächennutzungs- und Bebauungspläne sein soll. Diese Verbesserungen am ISEK haben wir im Wesentlichen dem Engagement vieler Menschen aus Kaltenweide zu verdanken und sie sind leider mitnichten das Verdienst von Rat und Verwaltung für eine Einwohner*innenbeteiligung, die diesen Namen auch verdient. Angesichts dieser Stimmung stand auch die CDU nicht mehr zu ihrem Antrag, allen Anregungen des ISEK-Gutachters zu folgen und enthielten sich ebenfalls der Stimme. Was eine engagierte Einwohner*innenschaft doch alles erreichen kann. Glückwunsch!

Kurz vor 21.30 Uhr brachte Herr Eilers noch seinen Antrag zur Inklusion auf Spielplätzen und ich meinen Antrag zur technischen Raumbelüftung in Schulen sowie den Antrag zur finanziellen Unterstützung zur Anschaffung von Lastenrädern ein, so dass diese in den Fachausschüssen weiter behandelt werden können. Für den Antrag zum Lastenfahrrad habe ich ausdrücklich dem ADFC – Herrn Spörer - als Initiator zusätzlich gedankt.

… und am nächsten Donnerstag, dem 24.6. um 18.00 Uhr geht’s weiter.