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Ich stehe früh auf, setze mich auf die Terrasse und habe endlich!! mal richtig Zeit für mein Reisetagebuch. Als ich aufschaue, sehe ich eine ganze Reihe Affen über die Felsen zum Wasser laufen. Sie klettern fast senkrecht den Felsen hoch, springen in hohen Sätzen über Felsbrocken, wedeln mit ihren Ärmchen durch’s Wasser und sind Lebensfreude pur. Nach ca. einer halben Stunde verschwinden sie in Richtung große Treppe. Ich vermute, sie wollen dort ihr Frühstück von den Touris abholen. 

Auch Michael taucht irgendwann mal auf. Er hat in Ruhe ausgeschlafen. Wir brechen in Richtung große Treppe auf, wollen das Frühstücken mit Akkuladen verbinden. Schnell findet sich ein kleines Restaurant, mit dem Blick auf die Fälle essen wir Omlette fromage – natürlich mit Kirikiri. Nach dem Frühstück steigen wir langsam auf, halten an den passenden Stellen und bewundern erst mal in aller Ruhe den Wasserfall. Ungefähr auf der Hälfte der Strecke nach oben treffen wir die Affenbande wieder. Wie ich schon vermutet hatte, hier wird gefrühstückt. Da schon eine ganze Menge Touristen unterwegs sind, müssen sie auch nicht über Hunger klagen. Vorn, direkt an den Stufen sitzt der Clanchef und haut sich den Wanst voll, im Hintergrund einige Halbstarke und eine Affenmutter mit Baby im Fell, die bekommen, was Chefe runter fällt. Ob allerdings die mitgebrachten Pfannkuchen das artgerechte Futter für die Tiere sind, wage ich zu bezweifeln.

Am Ende der Treppe angekommen, gehen wir nah an den Rand der Cascaden und können frei von jedem Geländer in die Tiefe schauen. Das kribbelt im Bauch, es geht fast senkrecht hinunter. Wir wollen auf die andere Seite des Flusses, dort haben wir auch schon andere Leute gesehen. Nach einigen vergeblichen Versuchen merken wir, dass hier eine Brücke fehlt. Wir gehen landeinwärts, umrunden viele Parkplätze, nehmen in einer schrammeligen Bar noch einen Cafe Noir, verbunden mit einem Klogang, der in der freien Natur gewiss angenehmer gewesen wäre. Und wir finden die notwendige Brücke. Die vielen – jetzt freien - Parkplätze vermitteln uns eine Idee davon, was hier so los ist, wenn das Wetter besser ist – oder am Wochenende? Jedenfalls will jedeR MarokkanerIn einmal diese Wasserfälle besucht haben. Sehr verständlich in einem Land, das in weiten Teilen meist staubtrocken ist.

Wir wandern einen Pfad durch ein mageres Kornfeld und suchen den Rand der Schlucht. Am Ende des Kornfeldes sehen wir eine durch eine Holzschranke abgesperrte Wiese, von der sich Michael fast abschrecken lässt. Wir umrunden sie, überqueren eine stoppelige Wiese und haben den Felsrand gefunden. Dafür werden wir mit einer tollen Aussicht belohnt. Nun soll es flussabwärts gehen, wir finden nach einer Weile einen Eselpfad, der sich bald als der einzige markierte Wanderweg dieser Reise erweist. Es geht in vielen Windungen bergab, durch Olivenhaine mit Bewässerungsgräben, die gut gefüllt sind. Der Eselspfad ist nicht nur markiert, er ist auch der richtige Weg zurück in unser Camp. Dort verstauen wir unsere Jacken, die wir jetzt nicht mehr brauchen, es wird gemütlich warm, trinken einen leckeren frisch gepressten O-Saft und brechen dann wieder flussabwärts auf. Der Pfad führt uns an weiteren kleinen Restaurants und Cafes vorbei. Eines heißt „Afrika“. Wir beschließen morgen früh dort zu frühstücken.

Der Pfad wird schmaler und führt uns an eine sehr!!! provisorische Brücke. Wie versuchen unser Glück, mehr als nass werden kann hier nicht passieren. Es klappt und wir landen in Jamaika. Es handelt sich um ein kleines Cafe, das von einem Bob Marley-Fan geführt wird. Es dominieren Jamaikanische Farben und „peace and love“. Hinter Jamaika queren wir über eine ebenso schrammelige Brücke wieder den Fluss. Wir folgen dem Pfad, müssen uns irgendwann entscheiden: rauf oder runter. Wir nehmen „runter“ und landen auf einem Felsen über dem Fluss, mit Blick auf eine Badestelle. Hier versuchen sich einige Franzosen im Felsenspringen. Unser Standort liegt ca. 15 bis 20 Meter oberhalb des Flusses und der Älteste der Truppe traut sich tatsächlich auch, von diesem Felsen zu springen. Ich mag gar nicht hinschauen. Und es scheint auch nicht so gut gewesen zu sein, denn er bedeutet den anderen, dass sie das lieber lassen sollen. Männlich wichtig, wie die Herren der Schöpfung manchmal sind, müssen sie noch eine ganze Weile überlegen, ob sie diesem Ratschlag folgen. Doch letztlich siegt der Göttin sei Dank die Vernunft und sie trollen sich zu Fuß nach unten. Michael und ich schauen noch eine Weile zu und beschließen dann, dass diese Stelle auch für uns gut zum Baden ist. Sollte also das Wetter morgen schön sein, könnten wir nach dem Frühstück hier eintauchen.

Wir entscheiden uns, noch ein Weilchen den Fluss abwärts zu wandern, es ist noch genug Zeit. Wir nehmen also nun den oberen Weg, klettern über Felsen, bewundern die seltenen Blumen, die wir hin und wieder sehen, über uns ein weiter Felsvorsprung, der heute wohl Schafen und Ziegen als Stall dienen mag. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass unsere Vorfahren dort auch schon Schutz und Unterkunft gesucht haben. Eigentlich bekomme ich Lust dort hochzuklettern, doch der Nachmittag ist schon fortgeschritten und so verzichten wir darauf – vielleicht morgen? 
Irgendwann auf dieser schönen Wanderung meldet sich Michaels Handy, es ist Jörn, doch die Verbindung kommt nicht zustande. Ich schimpfe ein bisschen, Jörn weiß doch, dass wir in Urlaub sind. Wir gehen unseren Weg zurück, machen Pause bei Bob Marley, dort gibt es aber weder Jamaika-Rum noch andere Alkoholika, sondern nur die üblichen Kaltgetränke und Tee. Martin weiß abends allerdings zu erzählen, dass er dort gelernt habe, dass der beste Ouzo aus Israel stammt.

Zurück am Camp treffen wir einige unserer Gruppe in der „Höhle“, einem abgedeckten Felsvorsprung mit Matratzen an der Wand und einigen Tischen. Die Stimmung ist gedrückt, doch ich verstehe nicht so recht warum. 
Michaels Handy klingelt wieder. Diesmal ist es Ute, während er telefoniert, wird seine Miene ernst: „Ich sage Fee, dass sie gleich Tabea anrufen soll!“ Mir wird ganz anders im Bauch – was ist los? Als Michael meine Miene sieht, gibt er mir das Telefon und Ute erzählt mir, dass Tabea im Radio von dem Bombenattentat in Marrakesch gehört hat. Dieses Attentat bleibt – wie sollte es anders sein – Thema des Abends. Unser Gruppe geht unterschiedlich damit um, zwischen Witzchen reißen und dem Bedürfnis die Reisepläne zu ändern ist alles dabei. Ich bin sicher, unsere Reisepläne wird es gewiss ändern, hatten wir doch zum Abschluss noch 2 Tage in Marrakesch geplant. Ganz in der Nähe des Anschlagortes sollte unser Hotel sein.

Nach dem Essen sitzen wir noch in der „Höhle“ zusammen, Martin hat etwas von den Biervorräten rausgerückt und der Rest der Ginflasche wird geleert. Die Stimmung ist gedrückt, die Ansichten weiter unterschiedlich. Einige möchten die Reise „nach Plan“ weiterführen. „Marrakesch steht auf dem Programm, deshalb bin ich hier“, andere machen deutlich, dass Marrakesch wenige Tage nach dem Attentat gewiss nicht das Marrakesch ist, das wir besuchen wollten. Martin bestätigt diese Ansicht, er hat sich umgehört und berichtet, dass die meisten Touristen Marrakesch verlassen hätten und dass sehr viel Polizei aufgefahren worden wäre. Die Zahl der Toten variiert je nach Bericht zwischen 14 und 80. Egal wie viele es sind, es ist schrecklich.