Am Morgen beim Frühstück trifft MB zwei US-Amerikaner. Greg Tanaka, Hochschullehrer und promovierter Wissenschaftler zu Kultur und Umwelt, kommt aus San Francisco und hat ein Buch über die schädliche Rolle des Kapitals für die Kultur geschrieben. Greg informiert uns dann über den Besitzer der Red Capital Residence Laurence. Wir tauschen uns über unsere gegenseitigen Biografien aus und Greg meint, wir sollten uns mit Laurence mal treffen. Hat diesmal leider nicht geklappt. Aber wir haben nach unserer Rückkehr aus China dem RLS-Büro in Beijing die Kontaktdaten von Laurence geschickt – vielleicht bahnt sich ja da eine Zusammenarbeit an (und hochkarätige Expert*innen zum Ökosozialismus werden noch mal eingeladen 😉)

Die beiden US-Amerikaner zeigen uns den Bunker unter der Red Capital Residence. Durch einen Kellerdurchgang im Hof geht es recht abenteuerlich über sehr sehr tiefe Stufen nach unten in den Untergrund. Dieser z.T. beschwerliche Abstieg endet in einem Gewölbekeller mit Versammlungsraum. Hier soll sich angeblich Mao mit seinen Genoss*innen konspirativ getroffen haben. Verdurstet sind die offensichtlich nicht. Im Regal fanden wir noch einige verstaubte Weinflaschen.

Anschließend ging es dann auf die geplante Tagestour. Auf dem Programm stehen Maos Mausoleum und die Verbotene Stadt, zu der wir aber keine Eintrittskarten haben. Unsere Info war, mensch bekomme die Eintrittskarten nur online. Ich kanns nicht glauben…

Also erstmal zu Fuß ca. 800 m zur U-Bahn. Da wir schon geübt haben, geht die Routenplanung und der Ticketkauf flott. An der korrekten U-Bahn-Station ist aber der richtige Ausgang A gesperrt. Also laufen wir hin und her, um uns zu orientieren. Alles abgesperrt. Letztlich laufen wir den Massen hinterher, über 2 Unterführungen, durch Absperrgitter und werden immer mehr kanalisiert. Weiter vorne sehe ich, dass alle weiße Karten an Kontrollengpässen vorzeigen und denke erst, das seien schon die Eintrittskarten. Dann überlege ich nochmal: Nein, das sind ihre ID-Karten. Also krame ich nach unseren Pass Ports. Ungeduldig drängeln in dieser Zeit einige Chines*innen an uns vorbei. Hier zeigt sich mal wieder die Wahrheit eines chinesischen Sprichworts: „Du kannst leichter dein Vermögen verlieren als einen persönlichen Vorteil.“

Also mal wieder Passkontrollen, Gepäckkontrollen und endlich stehen wir vor dem Mausoleum. Es ist 11 Uhr. Bis 12 Uhr kann Mao beguckt werden. Erst gehen wir links rum, ist aber falsch, dort kommen alle raus. Rein geht es rechts! Wieder gut 1 km umsonst gelaufen.  Als MB und ich uns dann in die kleine Schlange zum Mausoleum einreihen, werden wir angehalten. Die Mitnahme des Rucksacks wird nicht erlaubt. Die Gepäckaufbewahrung ist aber so weit weg, dass ich dankend verzichte und auf den Rucksack aufpasse, während MB Mao beguckt. Ich hatte eh keine große Lust dazu. Schon in Vietnam fand ich die Aufbahrung von Onkel Ho sehr befremdlich.

Michael ist nach ca. 20 Minuten wieder da. Er war zunächst an Verkaufsstellen von gelben Blumen vorbeigelaufen, wurde dann wieder elektronisch kontrolliert, passierte im Inneren des Gebäudes einen hohen gelben Blumenberg und im Nachbarraum den aufgebahrten Mao. Fotografieren streng verboten und möglichst schnell – nicht stehen bleiben – an Mao vorbei. Das passierte in ungefähr 30 Sekunden. Dann zum Ausgang und nach 500 m Fee wiedergefunden.

In der Wartezeit habe ich die Gelegenheit genutzt, dieses Reisetagebuch weiterzuführen. Wir sind immer einen Tag hinterher und bemüht, den Anschluss zu finden.

Nach Mao ging es über den berühmt-berüchtigten Tian’anmen-Platz (dort wurde 1989 die chinesische Protestbewegung blutig niedergeschlagen – zynischer Weise drohte Egon Krenz „seinen“ Protestierer*innen danach mit „chinesischen Verhältnissen“). Der Platz ist gut besucht und reichlich voll mit chinesischen Touristen; Nicht-Asiat*innen sehen wir recht wenige.

Mit vielen Umwegen durch Absperrungen erreichen wir die Verbotene Stadt. Auf dem großen Vorplatz sind einige Stände, bei denen online Tickets gekauft werden können. Allerdings nur, wenn auch online bezahlt wird. Das geht für uns nicht. Eine jung sympathisch aussehende Frau spricht uns an und erläutert uns, dass die Tickets schon über viele Tage ausverkauft seien. Über die Hotellobby könnte sie uns weiterhelfen??? Vor solchen offensichtlichen Tricks hatte uns aber schon unsere schriftliche Reiseführer*in gewarnt. Wir lehnen dankend ab.

An einem der online-Stände zeigt uns ein Offizieller weit hinten ein „little house“. Dort sehen wir eine wirklich kurze Schlange und bekommen für je 40 Yuan unser „Ticket“, das aus der Passport-Nr. besteht. An der Kontrolle kontrollieren sie meine Pass-Nr., MB wird gleich so durchgewunken. Für je 50 Yuan erstehen wir einen deutschen Audio-Guide und es kann losgehen. Dieser Audio-Guide ist GPS-gesteuert und erzählt uns meistens was über die Halle, vor der wir grade stehen. Insgesamt ist es eine Anlage, die über 1 km lang und mehr als 800m breit ist. Alte beindruckende Architektur, goldene Löwen und große Kupfer(?)kessel. Schade, dass keine der Hallen zu betreten war. Allerdings auch verständlich, da die Chines*innen dazu neigen, alles Mögliche anzufassen, das an vielen Stellen schon zu starker Abnutzung bis tief ins Holzgeführt hat.

In einem Durchgang finden wir freie Bankplätze und wollen uns ausruhen. Doch kurz danach kommt ein uniformierter Soldat, der alle Anwesenden rausschickt. Wir wandern weiter und bemerken, dass immer mehr Platz hinter uns „freigeschaufelt“ wird. Wir vermuten, dass das für eine Führung von wichtigen Menschen passiert, wissen es aber nicht wirklich.

Nachdem wir mehr als 2 Stunden durch die Verbotene Stadt geschlendert sind, brennen die Füße und uns steht der Sinn nach Pause. Kurz vor dem Nordausgang sehen wir einen Aufgang auf die Mauer. Das tun wir ihnen – den Füßen – dann doch noch an und laufen so noch einen zusätzlichen km zum Ostausgang. So komme ich in den Genuss vieler von der Sonne ausgeleuchteter Dächer und zu tollen Fotos.

Auch der Weg dann zur nächsten Metro-Station ist nicht wirklich toll; wir sind müde und die Füße meckern. An der Metro-Station zurück suchen wir uns die Station aus, an der zum einen der Busbahnhof ist – für die Fahrt zur Großen Mauer und dem Verlassenen Dorf – sowie auch die Linie beginnt, die zum Flughafen fährt. Dort schauen wir, wo unser Bus Nr. 980 abfährt, lesen das chinesische Zeichen für schnell (Schnellbus), bekommen aber nicht heraus, wo es die Tickets dafür gibt. Später erfahren wir im Hotel, dass wir diese ganz einfach im Bus kaufen können, aber die allermeisten Chines*innen haben ihr Ticket bereits auf ihrer App.

Dann treten wir die Heimfahrt an, essen kurz vor unserm Hotel noch was – 78 Yuan. Zur Kontrolle der schnellen Ausführung in diesem Bistro wird am Tisch eine Eieruhr aufgestellt. Weit vor deren Durchlauf haben wir alle bestellten Speisen bekommen.

Wir beenden den Tag in unserem Quartier vor dem E-Kamin mit Tagebuchschreiben (ich) und „Killer-SudoKu“: 296 Kästchen, (MB). Beschluss für morgen: Nicht so viel laufen: Lama-Tempel, Glocken- und Trommelturm.