Die Tagesordnung der gestrigen Ratssitzung war mit 46 TOPs zwar rappelvoll, aber eigentlich zu schaffen. So wirklich heiße Themen schienen auf den allerersten Blick nicht auf der Tagesordnung zu sein. Doch eine intensive Diskussion um den energetischen Standard der neuen Gymnasiums an der Bult, Gesprächsbedarf zur Trägerschaft des geplanten Waldkindergartens in Kaltenweide und wie so oft langatmige Beiträge von bekannten Vielrednern führten dazu, dass die Ratssitzung nach fast 4 Stunden gegen 21:45 Uhr unterbrochen und zwei Tage später fortgesetzt werden soll. Die Verwaltung hatte das bereits geahnt und vorsorglich den Rathaussaal für Mittwoch, den 11.09.2019 zur Fortführung der Sitzung reserviert.

Bereits in der Bürgerfragestunde waren der geplante Waldkindergarten in Kaltenweide sowie die Planungen zum Gymnasium Thema.

KfW 40plus gegen KfW70? Auf den ersten Blick schienen da etliche Ratsmitglieder bei diesen technischen Vorgaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die die Energiestandards von Gebäuden beschreibt, nicht durchzublicken. Dirk Musfeldt von den Grünen, die einen Alternativvorschlag – KfW 40plus - zum Energiestand des geplanten Gymnasiums auf der Bult zur Vorlage der Verwaltung – KfW 70 – eingebracht hatten, erläuterte den Unterschied. Gebäude mit dem Standard KfW 40plus - auch als Passivenergiehäuser bekannt - haben einen 3x niedrigeren Energieverbrauch als herkömmliche Gebäude mit KfW 70. Mit ihrem Klimaschutz-Aktionsprogramm von 2010 habe doch die Stadt Langenhagen bereits einen energetischen Gebäudestandard als Zielvorgabe der Stadt Langenhagen beschlossen – alles nur auf dem Papier?

Ich habe in der Diskussion u.a. darauf hingewiesen, dass Klimaschutz nicht gegen Geld aufgerechnet werden darf. Doch gegen die Stimmen von Grünen/Unabhängigen, BBL und mir LINKEN wurde der klimapolitisch sinnvolle Energiestandard KfW 40plus abgelehnt. Der Verwaltungsausschuss, der vor der Ratssitzung nichtöffentlich getagt hatte, hatte aus dem vorgeschlagenen Standard KfW 70 schnell noch einen KfW 70 oder besser gemacht. Ob das wohl was hilft? …oder nicht?

Die Stadtverwaltung zauberte dann noch einen „Mittelweg“ KfW 70/ KfW 55 aus dem Hut, um aber dann auf Nachfrage zugeben zu müssen, dass KfW 55 nur für Dach, Wände und Fenster gelten könne, nicht aber für die Heizung und anderes. Dieses wurde dann mit der Mehrheit von SPD und CDU so beschlossen.

Nicht nur ich sehe angesichts des realen Abstimmungsverhaltens von SPD und CDU bei diesem konkreten Klimaschutzpunkt eine große Diskrepanz zu deren vor kurzer Zeit eingebrachten Klimaschutzanträgen. Da bin ich nun ganz neugierig auf die Debatte, zumal ich zu dieser Thematik auch einige Konkretisierungen eingebracht habe (dazu mehr demnächst unter Kommunalpolitik mit links).

Waldkindergarten im Kananoher Wald bei Kaltenweide – anfangs war ich begeistert. So lernen Kinder spielend einen positiven Bezug zur Natur, zumal der Bedarf in Kaltenweide an KiTa-Plätzen deutlich größer ist als das derzeit existierende Angebot.

Aber meine Recherche dazu machte mich dann doch misstrauisch: Träger der Einrichtung soll die Freie Bildungs- und Erziehungseinrichtung (FEBEL) der freikirchlichen ELIA-Gemeinde aus Langenhagen sein. In ihrer Selbstdarstellung bezeichnen sie sich selbst als „Christen evangelikaler Prägung“ - http://www.elia-kirchengemeinde.de/Elia_Gem_Brief_3-2008.pdf und definieren sie als „evangelikal-typisch“: Die Bibel ist die Offenbarung  Gottes, sie besitzt höchste Autorität in allen Fragen des Lebens und Glaubens - Bejahung des biblischen Schöpfungsberichtes -  uneingeschränkte Bejahung des Missionsauftrages -  Anerkennung der biblischen Sexualethik“.

Ich bin dem Ratskollegen Dirk Musfeldt dankbar, dass er die Ratsversammlung auf den offensichtlich evangelikalen Hintergrund des geplanten Trägers aufmerksam machte.

Ich möchte den sicherlich sehr engagierten Mitarbeiter*innen, die sich um die Kinder in der Kita kümmern, nicht zu nahe treten. Fakt ist aber, dass wir schon seit langem – was ich außerordentlich begrüße – in einer multikulturellen Gesellschaft leben, die eine gegenseitige Toleranz aller weltlichen und religiösen Weltanschauungen voraussetzt. Eine Einrichtung, die den Kindern ein sehr begrenztes und m.E. auch falsches Weltbild (z.B. Schöpfungsgeschichte, biblische Sexualethik) in einer noch so herrlichen Naturumgebung vermitteln will, kann ich nicht auch noch durch die Stadt finanziell fördern. Doch die Ratsmehrheit außer den Grünen und mir hat das gestern so „abgesegnet“.

Kipperfahrzeug im Betriebshof, Diesel-betrieben oder ein Elektrofahrzeug, jetzt schwenkte auch die SPD von ihrer ursprünglichen Pro-Diesel-Position zum E-Fahrzeug um, das wir mit großer Mehrheit beschlossen haben. Alles andere wäre auch echt peinlich gewesen ;-)

Und bei gefühlt jedem Tagesordnungspunkt sprach mehrmals Ratsherr Dr. Mommsen, der sich in einer juristischen und persönlichen Auseinandersetzung mit dem Bürgermeister über unbewiesene Korruptionsvorwürfe befindet. Er stellte wie gewohnt seine Meinung weiträumig und zeitraubend dar und spulte sein Repertoire von der verschwenderischen Verwaltung ab. Durchaus überlegenswerte Ansätze, wie seine Position, städtische Grundstücke nicht zu verkaufen, sondern in Erbpacht zu vergeben und wenn schon Verkauf, dann klare Bedingungen zu formulieren, gehen dadurch bei den meisten Ratsmitgliedern – leider auch bei mir – unter. Schade!

Last, but not least: Auch wenn ich nicht immer mit den Positionen des Stadtbaurates Hettwer übereinstimme, er macht eine gute und engagierte Arbeit und ich gratuliere ihm hier noch mal zu seiner gestrigen Beförderung zum 1. Stellvertreter des Bürgermeisters.