Meine Fortbildung zur Konfliktbearbeitung - zur Klärunghilfe - arbeitet noch in mir nach. Neben vielem Neuen wurden die Gedanken frisch sortiert, die Hirnschubladen entrümpelt und alte Erkenntnisse wieder entdeckt. Insbesondere freue ich mich, dass ich das Enneagramm wieder gefunden habe, ein Modell, das mir in vielen Konfliktschlichtungen weiter geholfen hat. Leider ist mir der theoretische Hintergrund dazu im Laufe der Jahre fast verloren gegangen, wie es den Dingen geschehen kann, mit denen wir uns nicht regelmäßig befassen. Das Enneagramm ist eine Theorie über die menschliche Entwicklung, dessen Wurzeln weit zurück liegen. Ennea ist griechisch und bedeutet "neun", gramma bedeutet "System" oder "Modell". In den 90er Jahren wurde es von Therapeuten und Psychologen wieder entdeckt und weiter entwickelt.

Es beschreibt die menschliche Wahrnehmung als ein System, mit neun unterschiedlichen Wahrnehmungsstilen, die jeweils durch neun recht unterschiedliche Grundmotivationen gesteuert werden. Dieses Zusammenspiel von Grundmotivation und Wahrnehmung ist die individuelle Leitlinie für unser Denken, Erleben und Handeln, denn jeder Mensch nimmt erst einmal „seine“ Realität als „die“ Realität wahr. Aus diesem Muster heraus entstehen Handlungsstränge, Lebensphasen und eben auch Konflikte. Jede und Jeder hat schon mal erlebt, wie Menschen „meilenweit“ an einander vorbeireden und sich nicht verstehen können.

Jeder Mensch hat seine besondere Begabung, eine eigene Biographie und ist einzigartig. Dennoch können wir mit der Theorie des Enneagramms unseren persönlichen Wahrnehmungsstil und die daraus resultierenden Handlungen aufdecken. Wir können erkennen, in welcher „Wahrnehmungsschublade“ wir gerade stecken, die uns einschränkt, die unser Handeln leitet und dass die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen Menschen gar nicht so zufällig sind, wie wir dachten.

Aber Achtung: Die Zuordnung zu einem der neun Persönlichkeitstypen kann sich auch als schwierig erweisen, da kein allgemein anerkannter Test existiert und die Zuweisung damit notwendigerweise subjektiv erfolgen muss. Fehleinschätzungen entstehen dann, wenn nur wenige Aspekte eines Menschen anstatt das Gesamtbild betrachtet werden.

Zwinkernd Zur Theorie eine kleine Geschichte: Nasruddin segelt mit einem Gelehrten über eine stürmische See. Als er etwas sagt, das grammatisch nicht ganz richtig ist, fragt der Gelehrte: Haben Sie denn nie Grammatik studiert? - Nein. - Dann war ja die Hälfte Ihres Lebens verschwendet! - Kurz darauf dreht sich Nasruddin zu seinem Passagier um: Haben Sie je Schwimmen gelernt? - Nein. Warum? - Dann war Ihr ganzes Leben verschwendet, wir sinken nämlich!